Gesunde Mutter-Kind-Bindung

Der emotionale Austausch von Mutter und Kind beginnt schon im Mutterleib. Bereits während der Schwangerschaftsmonate im Bauch der Mutter nimmt das Kind alle Stimmungen und Gefühle von ihr auf und reagiert darauf. So entsteht schon in dieser Zeit eine starke Bindung zwischen Mutter und Kind.

Das Neugeborene ist ungeschützt, empfindsam, verwundbar und in hohem Maße abhängig von der liebevollen Fürsorge und sicheren Bindung an die Mutter. Durch die feinfühligen Reaktionen der Mutter auf die Blicke des Kindes und seine Gesichtsausdrücke erkennt das Kind sich selbst, und über einen weichen und warmen Körperkontakt zur Mutter lernt es bald, auch sich selbst zu spüren. Im Blick der Mutter sucht das Kind Halt, Orientierung, Zugehörigkeit und Bestätigung. Durch die liebevolle körperliche Zuwendung werden seine Bedürfnisse nach Nähe, Zärtlichkeit, Liebe und Wärme befriedigt.

 

Eine Mutter, die im Kontakt mit ihren gesunden Gefühlen ist, erkennt am Weinen des Kindes, ob es Hunger hat, ob es gewickelt werden muss, müde ist, Schmerzen hat oder emotionale Nähe braucht und wird diese Bedürfnisse umgehend und feinfühlig befriedigen. Sie kann die nonverbalen Mitteilungen des Kindes richtig deuten und sich in ihr Baby einfühlen. Die Mutter kann klar ihre eigenen Wünsche und Ziele von denen des Babys unterscheiden. Sie kann dem Kind genau das geben, was es braucht, damit es sich sicher und geborgen fühlt.

 

Werden die biologischen Urbedürfnisse von der Mutter so umfangreich befriedigt, sind das erste wichtige Voraussetzungen für eine stabile und gesunde emotionale und psychische Entwicklung. Der Bindungsprozess setzt sich gleich nach der Geburt durch den körperlichen und seelischen Kontakt, der zwischen Mutter und Kind geschieht, intensiv fort. In den warmen Armen und der liebevollen Nähe der Mutter beruhigt sich das Kind und kann sich körperlich und seelisch vollkommen entspannen. Durch die Befriedigung der Urbedürfnisse nach Nähe, Kontakt, Zärtlichkeit, Halt und Sicherheit entwickelt das Kind ein Urvertrauen in sein Dasein, wird in seinem Selbstwert bestätigt, erlebt tiefe Lebensfreude und entwickelt mit der Zeit eine gesunde Selbstständigkeit.

Auch die Mutter erlebt durch die Zufriedenheit ihres Kindes eine Bestätigung ihrer selbst und so entsteht ein gesunder Gefühlsaustausch zwischen Mutter und Kind.

Obwohl das Kind in den ersten Monaten in seiner Hilflosigkeit umfassend von der liebevollen Fürsorge und einer gesunden Bindung an die Mutter abhängig ist, hat es vom ersten Tag der Schwangerschaft an einen eigenen Lebenswillen, ein eigenes Ich, eine eigene Lebenskraft und Eigenständigkeit. In seiner anfänglichen Abhängigkeit und dem naturgemäßen Bindungsbedürfnis saugt das Kind von Anfang an alle Gefühle der Mutter wie ein Schwamm auf. Es identifiziert sich in den ersten 6 Monaten voll und ganz mit ihr. Es fühlt am Anfang nur: "Ich bin die Mama und die Mama bin ich!". Erst später, wenn es sich aus der Symbiose löst, kann es zu seinem eigenen Ich-Bewusstsein einen Kontakt aufnehmen. Über diesen symbiotischen Weg hinterlässt die Mutter mit all ihren Gefühlen und Empfindungen in der Psyche des Kindes ihren Abdruck und ist so innerlich immer präsent.

 

Diese symbiotisch enge Bindung besteht intensiv in den ersten 6 Monaten und sollte in dieser Zeit z.B. nicht durch längere Abwesenheit der Mutter gestört werden. Seelisch gesunde Mütter umsorgen mit all ihrer Energie, Liebe und Zuwendung ihr Kind und das Kind selber hängt mit seinen ganzen Sinnen an seiner Mutter. Die größte und stärkste Kraft eines Menschen ist die Sehnsucht nach der Mutterliebe. So wirkt sich die Qualität der frühkindlichen Erfahrungen prägend auf das ganze Leben und alle weiteren Bindungen und Beziehungen aus. Wächst ein Kind in einem liebevollen Umfeld heran, wo auch der Vater seine Rolle bei der Erziehung des Kindes angemessen einnimmt, kann es ab dem Krabbelalter beginnen, seine Umwelt zu erkunden. Die Eltern unterstützen das Kind auch in seinem Wunsch, allmählich Beziehungen zu Gleichaltrigen und auch zu anderen Erwachsenen aufzunehmen. So beginnt sich die emotionale Abhängigkeit zur Mutter langsam und Schritt für Schritt zu lösen. Damit sich ein gutes, eigenes Ich-Gefühl entwickeln kann, hat das Kind auch das Verlangen, sich in unterschiedlichen Situationen selbst zu entdecken.

Wird ein Kind von seiner Mutter als einzigartig, wertvoll und besonders wahrgenommen, erlebt es sich selber auch als eigene Individualität.

 Gesunde Eltern unterstützen dieses Bestreben nach allen Kräften, denn sie wissen aus eigener Erfahrung, wie wichtig es ist, ein von der Mutter getrenntes Ich-Gefühl zu besitzen. Nur so kann das Kind eines Tages aus der elterlichen symbiotischen Bindung entlassen werden und ein erfülltes, eigenständiges Leben in guter Beziehung zu anderen Menschen und seiner Umwelt führen.

 

Bekommt das Kind keine Unterstützung von den Eltern, dann wird es sich sehr schwer tun, denn es ist fast unmöglich für das Kind, sich ohne äußere Hilfe aus der symbiotischen Bindung zu lösen. Eine Mutter, die dem Kind eine sichere Bindung gibt, wird für das Kind ein sicherer Ankerplatz und ein Gegenüber mit geistiger Klarheit und Willensstärke, an dem es sich für sein eigenes Leben orientieren kann. Wird ein Kind von seiner Mutter als einzigartig, wertvoll und besonders wahrgenommen, erlebt es sich selber auch als eigene Individualität. Erst ab dem Alter von 3 Jahren kann ein Kind es immer besser ertragen, wenn die Mutter für längere Zeit abwesend ist.