Trauma

Was ist ein psychisches Trauma?

Trauma heißt "Verletzung". Bezogen auf ein psychisches Geschehen sprechen wir von psychischer Verletzung. Ein psychisches Trauma erleben wir dann, wenn wir in Situationen geraten, in denen wir um unser Leben fürchten müssen. Wir erleben dann Todesangst, fühlen uns hilflos und ohnmächtig. Es kommt zu einer absoluten seelischen und körperlichen Überwältigung, da der Mensch für diese Situation weder Abwehrstrategien noch Verarbeitungsmöglichkeiten in seinem Leben entwickeln konnte.

Folgende Situationen wirken traumatisch auf den Menschen:

  • Unfälle, Überfälle
  • schwere Krankheiten
  • schmerzliche Verlusterlebnisse
  • Naturkatastrophen
  • emotionale Verlassenheit
  • Kriege, Gewalt und Vertreibungen
  • innerfamiliäre seelische und körperliche Misshandlungen

Psychische Spaltung als Notfallreaktion im traumatischen Ereignis

Kämpfen oder Fluchtergreifen sind die ersten spontan und unwillkürlich ablaufenden Reaktionen auf eine lebensgefährliche Situation. Ist beides in der Situation nicht möglich, kommt es zu dem sogenannten Totstellreflex, d.h. einer körperlichen und psychischen Erstarrung. In diesem Zustand sind alle Gefühle wie betäubt und selbst schwere Verletzungen werden nicht mehr gespürt.

 

Durch die Erstarrung wirkt der Mensch für Außenstehende ganz ruhig und gefasst, in seinem Nervensystem aber kreisen noch die für Kampf und Flucht mobilisierten Energien. Können diese starken Energien nach der Traumasituation nicht abgeleitet werden, bleibt der Mensch seelisch und körperlich wie eingefroren und seine Psyche spaltet sich auf. Bei diesem innerseelischen Vorgang werden die überwältigenden Erlebnisse wie Hilflosigkeit, Todesangst, Ohnmacht, Verzweiflung usw. aus dem gefühlten Bewusstsein abgespalten.

 

Die psychische Spaltung ist ein unbewusster Schutzmechanismus der Psyche, um das Überleben des Menschen zu sichern. Die Gefühle des Traumaerlebnisses werden fragmentiert, d.h. innerpsychisch auseinandergerissen und in einen Traumaanteil, einen Überlebensanteil und einen verbleibenden gesunden Anteil aufgespalten. In der Psyche leben nach dem Trauma dann drei verschiedene Ich-Anteile weiter, die aber untereinander keinen Kontakt haben. Anteile, die so getrennt im Unbewussten aufbewahrt werden, entwickeln ein Eigenleben und können abwechselnd die Führung in der Psyche des Menschen übernehmen.

 

Wir unterscheiden 2 Formen von Traumata:

Schocktrauma und Bindungs-und Entwicklungstrauma

Schocktrauma:

Ein Schocktrauma ist ein einmaliges Ereignis wie z.B. Unfall, Naturkatstrophen, Kriege usw. und hat ein Anfang und ein Ende. 

Ein Ereignis wird als traumatisch erlebt, wenn die Situation überwältigend ist und wir keinerlei Strategien besitzen damit umzugehen. Es kommt während des Geschehens zu Gefühlen von Hilflosigkeit, Ohnmacht, Angst, Verzweiflung, Rückzug, Dissoziation, Schmerzen, körperlich, emotional und psychische Erstarrung mit späterer körperlicher Erschlaffung. Scham stellt sich evtl. ein, durch das Gefühl von Unzulänglichkeit im Umgang mit der Situation.

Die in der traumatischen Situation mobilisierten Kampf- und Fluchtenergien werden durch den Schock eingefroren und kreisen auch nach dem Ereignis noch im Nervensystem und bewirken Folgebeschwerden wie innerlichen Rückzug, ständige Überwachheit, Schlaflosigkeit, diffuse Ängste usw.  

Es ist wichtig, den unterbrochenen und nicht vollendeten Abwehrmechanismus von Kampf – und Fluchtimpulsen zum Abschluss bringen durch

z.B. Somatic experiencing von Peter Levine

 

Bindungs- und Entwicklungstrauma

Jedes Entwicklungstrauma beginnt auch mit einem Schocktrauma z.B. durch Abtreibungsversuch, Ablehnung, Zurückweisung, Vernachlässigung und Gewalt durch die Eltern. Das Entwicklungstrauma ist nicht zeitlich begrenzt und hat einen Anfang aber kein Ende. 

Es geht um Traumatisierung durch die Bindungspersonen, von denen man abhängig ist. Sie werden auch die "stillen Traumen" genannt, da die emotionale Ablehnung, Zurückweisung, Vernachlässigung durch die Bindungspersonen meist von außen nicht sichtbar sind. 

Auch hier kommt es zu traumatischen Gefühlen wie Hilflosigkeit, Ohnmacht, Angst, Verzweiflung, Schmerz, Dissoziation, innerlichen Rückzug und körperlicher uns psychischer Erstarrung.

Da die bindungstraumatische Situation nicht aufhört, können die Gefühle von Angst, Panik, Rückzug und Resignation chronisch werden. Auch hier kommt es zu Beeinträchtigung der Kontaktfähigkeit zu sich selber und anderen Menschen. 

Durch die Zurückweisung der Mutter kommt es aus Bindungsschutzgründen zur Aufgabe des eigenen ICHs mit der Folge von Selbstablehnung, Selbsthass, Selbstabwertung, Selbstkritik, negativen Glaubenssätzen und toxischen Schuld- und Schamgefühlen.

Durch die unbewusste Bedrohung durch die Bindungspersonen und die Angst vor Bindungsverlust kommt es zur dauerhaften Übererregung, Überwachheit und Überaufmerksamkeit. Alle Sinne sind dauerhaft nach außen auf die Umwelt gerichtet und die Umgebung wird schon beim Kleinkind ständig auf Gefahren hin abgescannt.

Durch die Anpassungsstrategien des Kindes auf die ständig traumatische Bindungssituation kommt es zu einem verzerrten Identitätsaufbau mit der Folge von  Bildung falscher Selbstbilder und Übernahme und Identifikationen mit Fremdgefühlen/mehrgenerationale Verstrickungen.

Bei der Therapie von Entwicklungstraumen geht es primär um die Ablösung aus verstrickten kindlichen Bindungsbeziehungen durch Individuation und ICH-Anbindung.