Es stellt sich die Frage, unter welchen Bedingungen und Voraussetzungen es dazu kommen kann, dass der ursprüngliche symbiotische Prozess zwischen Mutter und Kind zu einem "Trauma der Liebe" für das Kind werden kann?
Ist eine Mutter selber durch eigene überwältigende Ereignisse in ihrem Leben traumatisiert oder ist sie schon das Kind einer traumatisierten Mutter, kann sie dem Kind nicht mit ihren gesunden Ich-Anteilen zur Verfügung stehen. Sie konnte selber bei ihrer Mutter keine stabile und gesunde Bindung aufbauen und erleben. Aus diesem Grund ist sie auch selber nicht in der Lage, mit ihrem Kind eine emotionale und haltgebende Bindung aufzubauen. In diesem Fall begegnet die Mutter dem Kind als Ersatz für gesunde Emotionen mit ihren Überlebens-Ich-Anteilen (siehe unter „Spaltung der Persönlichkeit"). Sie versorgt das Kind funktional umfassend, d. h., sie sorgt für Essen, Sauberkeit und Kleidung.
Das Kind kann aber darüber hinaus keine warmen und liebevollen Gefühle für sich wahrnehmen, an die es sich sicher binden kann.
Es versucht in seiner Verzweiflung mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln, d.h. durch Schreien, Unruhe, Schlaflosigkeit und evtl. Nahrungsverweigerung, die Mutter für sich zu gewinnen und die Mauer, die es emotional von der Mutter trennt, zu überwinden.
Für die Menschen in der Umgebung, welche die angestrengten Bemühungen der Mutter wahrnehmen, ist das Verhalten des Kindes unverständlich, und niemand ahnt, dass trotz der guten funktionalen Versorgung das Kind emotionale Not erleidet, da es keinen gesunden symbiotischen Kontakt zur Mutter aufbauen kann.
Das Kind erlebt ein "Trauma der Liebe". Es kann so zu einer dauerhaften Bindungsstörung im Verhältnis zur Mutter kommen. Weitere Infos dazu siehe unter der Rubrik "Trauma der Liebe" und „Mehrgenerational Weitergabe von Traumagefühlen"